Hilde und der Herpes
Autorin: Tanja
Bitte beachte: Hier geht es um eine ernsthafte Erkrankung. Diese sollte niemals ohne ärztliche Rücksprache behandelt werden, ansonsten drohen bleibende Schäden am Tier oder sogar dessen Tod. Hilde und Balu werden stets ärztlich versorgt. Es geht im Folgenden um einen Erfahrungsbericht über die Pflege und Herausforderung von am Katzenschnupfenkomplex erkrankten Tieren. Diese Tipps & Tricks und Erfahrungsberichte entlassen aber niemanden aus der Pflicht, die Tiere medizinisch und fachärztlich betreuen zu lassen!

Katzenschnupfen ist ein Krankheitskomplex aus vielen Erregern. Nicht alle müssen daran beteiligt sein, können es aber. Sowohl Bakterien als auch Viren lösen Entzündungen aus und sorgen für die entsprechende Symptomatik je nach Beteiligung: Schnupfen, Entzündungen im Maul und im Auge.
Besonders bei letzterem ist das Feline Herpes Virus Typ 1 beteiligt. Im Prinzip ist es wie mit den menschlichen Herpesviren auch: Einmal befallen, zieht sich das Virus in den Körper zurück. Die Katze bleibt ein Leben lang Trägerin. In Stresssituationen bricht das Virus wieder aus, sei es psychisch ausgelöst durch Umzug, unharmonische Vergesellschaftung bzw. fehlende Ressourcen oder sei es physisch durch zum Beispiel Krankheit oder Altersdisposition.

Bleibende „Narben“
Das war mein Vorwissen, als ich die beiden im zarten Kindesalter erkrankten Piraten Balu und Hilde zu mir nahm. Im Prinzip waren sie austherapiert. Die akute Erkrankung war nicht mehr da, Medikamente benötigten sie keine. Spuren des Katzenschnupfens waren sichtbar: Balu büßte – erst wenige Wochen alt – ein Auge ein. Es war derart entzündet, dass es immer wieder aufplatzte und auslief. Es verursachte starke Schmerzen und wurde, sobald die anderen Infektionen es zuließen, amputiert. Eine echte Erleichterung für Balu. Leider weist sein verbliebenes Auge auch Spuren des Herpes auf. Eine kleine Verwachsung behindert ihn beim Sehen. Die Iris hat sich hierbei mit der Hornhaut verbunden und verformt dadurch die Pupille, die sich nur noch eingeschränkt an Lichtverhältnisse anpassen kann. Außerdem hat er eine Trübung in diesem Areal. Da er nur noch ein Auge hat, ist besondere Sorgfalt gefragt: Entzündet sich dieses verbleibende ebenfalls stark, könnte er vollständig blind werden. Im Gegensatz zu seinen Problemen mit der Nase, hat es Balu aber in Sachen Auge recht gut getroffen: Bis jetzt ist alles stabil. Es tränt lediglich stärker, da der Tränenkanal durch die Verschnupfung im zarten Kindesalter undurchlässig ist.



Schlimmer hat es da Hildes Augen getroffen. Ihr stark beschädigtes Auge kann sie nicht mehr vollständig öffnen. Die Bindehaut ist mit der Hornhaut verwachsen (Pterygium und Symblepharon), was auch das äußere Lid in seiner Bewegung einschränkt. Es öffnet nicht ganz. Deshalb erscheint Hildes linkes Auge kleiner. Durch die schwere Infektion, die vor allem auch die Hornhaut betrifft („Keratitis“), hat sich auf der Außenseite des Augapfels Plaque abgelagert. Man könnte dies auch als „Gewebe“ umschreiben, das die Oberfläche aufraut und uneben macht und diese milchig trübt. Eventuell sieht sie auf diesem nur noch hell und dunkel, wie die Augenärztin feststellte. Sicher bin ich mir aber nicht. In der Praxis war sie etwas abgelenkt und schüchtern. Die selben Tests daheim zeigten: Sie folgt meinem Finger, als würde sie etwas erkennen können. Ihr „besseres“ Auge weist die selben Spuren wie Balus verbleibendes auf.
Hier gibt es eine gute Zusammenfassung einer Fachtierärztin der Herpes-Keratitis, also der herpesbedingten Hornhautentzündung, bei Katzen.
Hilde bekommt durch diese Deformation einen durchaus lustigen verschmitzten Gesichtsausdruck, besonders wenn sie erwartungsvoll fröhlich den Kopf schief hält und einen nach Spiel, Spaß und Abenteuern fragend anblickt.

Man könnte nun wegen all dieser Augenprobleme Mitleid haben, aber dazu besteht kein Anlass. Beide wissen nicht, wie es ist „normal“ zu sehen und sind zwei aufgeweckte, lustig muntere und fröhliche Katzen – zu jedem Abenteuer bereit. Schmerzen haben sie keine.
Was nun aber leider schon vorkommen kann: Ein neuer Herpesschub. Natürlich versuche ich Stress so gut es geht zu vermeiden. Beide haben Autofahren geübt, sind routiniert bei Outdoor-Ausflügen an der Leine, so dass vieles möglich ist ohne sofort einen Nervenzusammenbruch auf beiden Seiten zu bekommen. Im Gegenteil: Sie freuen sich regelrecht auf Autofahrten, bedeuten diese doch meistens interessante neue Eindrücke.

Nicht immer ist es aber dem Menschen wiederum möglich, jeden Stressfaktor für Katzen sofort zu analysieren. Beide sind sehr zutraulich und lieben Besuche. Weihnachten und Neujahr 2022 waren aber für alle anstrengender als erwartet. Selbst wir Menschen atmeten irgendwann erleichtert nach den Feiertagen auf: Es kam eine regelrechte Besuchswelle auf uns zu. Zudem noch viele Übernachtungen in unserem Wohnzimmer – auf der Couch liegen ansonsten die beiden Piraten. Es gab also Änderungen im Tagesablauf und der Wohnungsstruktur.


Hilde reagierte sofort. Beziehungsweise Hildes Auge. Pünktlich am 5. Januar, abends vor dem Feiertag, 3 Minuten vor Praxisschluss unserer Haustierarztes (Wann auch sonst?!), fiel ich aus allen Wolken. Hilde sah mich an und das „normal“ deformierte Auge, war blutunterlaufen, nässte, die Bindehaut war geschwollen und Hilde kniff es vor Schmerzen zu. Die Tage zuvor kam es mir schon leicht gerötet vor. Trockene Heizungsluft, Zug, Staub – ich dachte mir nichts Ernstes dabei und, dass es von alleine bald wieder gut würde.
Da wir die Tage als nicht so stressig für die Katzen einschätzten – immerhin fraßen sie gut, waren munter, spielten, zeigten sich und kuschelten; sie waren einfach wie immer – gingen wir zuerst von einer mechanischen Beschädigung und einer bakteriellen Infektion aus, die sich darüber gelegt hatte: Hatte Balu sie vielleicht während des Spiels im Auge erwischt?
Schnell waren antibiotische Augentopfen organisiert, die 3x am Tag verabreicht wurden. Es wurde aber nicht besser.
Als auch der Haustierarzt nicht mehr weiter wusste, ergatterten wir einen Termin bei der Augenspezialistin. Für diese Expertin war es Routine. Schon nach der ersten Untersuchung erhärtete sich der Verdacht: Herpesschub.

Untersucht wurde mittels Spaltlampe und mit einer fluoreszierenden Flüssigkeit. Die Viren hatten zu einer Entzündung geführt, durch die die Augenhornhaut perforiert wurde. Es ging nun vor allem darum: Verhindern, dass sich nicht auch noch eine bakterielle Infektion durch die Verletzungen im Auge manifestiert, Zurückdrängen des Herpesvirus und die Selbstheilung des Auges mittels pflegenden Tropfen zu unterstützen. Dies bedeutete für uns: 3x am Tag mit jeweils drei unterschiedlichen Medikamenten Hildes erkranktes Auge zu behandeln, wobei ein Abstand von mindestens 20 Minuten zwischen den unterschiedlichen Mitteln eingehalten werden musste.
Mit Virgan und einem Breitbandantibiotikum bekämpften wir den Erreger. Dexpanthenolhaltige Produkte übernahmen die Pflege.

Im Prinzip verlief alles gut. Die Gabe von Virgan ist recht langwierig, da immer über die Symptome hinweg verabreicht werden muss. Das Virus ist auch unsichtbar noch aktiv. Leider bekam Hilde durch die permanente Tropfengabe Ekzeme an der Haut um das Auge herum. Laut Ärztin sollte ich noch wesentlich länger tropfen: 4 Wochen lang nach Abklingen der Symptome. Ich muss gestehen, nachdem Hilde rund um das Auge blutig, die Schwellung der Bindehaut zurückgegangen und das Auge wohl nur noch vom Medikamentenstress gerötet war, stellte ich die Gabe ein. Die schweizerische Richtlinie für Veterinärmedizin sieht 14, max. 21 Behandlungstage bei Virgan vor (vgl. vetpharm.uzh.ch – Katze: Konjunktivitis – Therapieleitlinien). Ein Kontrolltermin bei der Ärztin zeigte auch, dass die Hornhautbeschädigungen geschlossen waren.
So klangen auch Hildes Ekzeme wieder ab und ihr Auge normalisierte sich. Als Pflege benutze ich immernoch ein dexpanthenolhaltiges Gel ohne Konservierungsstoffe, die reizen könnten. Die Einwegampullen (EDOS) sollten deshalb nur einmal benutzt werden. Durch die fehlende Konservierung siedeln sich schnell Bakterien und Keime an. Berührt man aber mit dem Fläschchen nicht das Auge, bzw. hat es keinen Kontakt zu Oberflächen und Körperteilen, traue ich mich auch, es 12h lang zu benutzen. Je nach Lagerung ist dies aber durchaus riskant.
Diese Seite berät über Augenpflegeprodukte und testet entsprechende Angebote: fn-trockene-augen.de.
Laut Tierärztin sollte ich das mehrmals täglich tun, da die raue Oberfläche des vernarbten Auges so geschmeidig bleibt. Da Hilde aber empfindlich auf permanente Feuchtigkeit reagierte, beschloss ich, es nur einmal am Tag, vor dem Schlafengehen, anzuwenden und band das Tropfen der Augen in die Abendroutine von Katzenzähne- und Naseputzen mit ein.
Übrigens: Augentropfen immer auf Körpertemperatur vorwärmen, dann ist die Applikation angenehmer.

Die Erleichterung war groß, als Hilde wieder normal in die Welt blickte. Allerdings hatten wir nochmals einen Rückfall. 8 Wochen später verfing sich Hilde in einer Papiertasche, konnte sich erst nach einer ganzen Weile verzweifelten Herumrennens befreien und geriet in Panik. Ich kann mir es nur so erklären, dass dies schon als Stressinduktion für den Herpes genügte. 24 Stunden später blickte sie mich mit einem zusammengekniffenen, tränenden Auge an. Natürlich hätte es auch nur Schmutz oder eine mechanische Beschädigung sein können. Aber die Art, wie die Adern sich in der Bindehaut abbildeten, mein Bauchgefühl und weitere Symptome sagten mir: Herpes.
Da ich dieses Mal zum Glück ein Behandlungsschema hatte (eine neue Tube Virgan habe ich mir auf Vorrat mitgeben lassen), konnte ich früh genug mit der Behandlung starten und eine Infektion verhindern.
Im Allgemeinen gilt es zur Prävention das Immunsystem der Katze zu stärken und sie artgerecht zu halten.
Hochwertiges Futter unterstützt einen gesunden Stoffwechsel. Da Katzen ausschließlich Fleischfresser sind (im Gegensatz zum Hund), empfiehlt es sich auf ein hochwertigeres Futter mit viel Fleischanteil, wenig Bindegewebeanteil und ohne Kohlenhydrate auszuweichen. So können die Proteine optimal aufgeschlossen werden und der Stoffwechsel ist weniger mit Verdauen belastet. Ob nun ein hochwertiges Nassfutter oder selbst zubereitet besser ist, darüber will ich mir kein Urteil erlauben. Beides hat Vor- und Nachteile. Bei als Alleinfutter gekennzeichneten Produkten muss der Hersteller nach deutschem Futtermittelgesetz garantieren, dass alle notwendigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien in ausreichenden Mengen vorhanden sind. Stellt man unbedacht dagegen eine eigene Ration zusammen, kann es zu schwerwiegenden Mängel bei der Katze führen. Durchaus auch mit Todesfolge!
„Alleinfuttermittel“ Mischfuttermittel, das wegen seiner Zusammensetzung für eine tägliche Ration ausreicht [.]
EU 767/2009, Art. 3.1(i)
Eine ausschließliche Ernährung mit Trockenfutter mit hohem Kohlenhydratanteil halte ich unter den gegebenen Umständen bei einer derartigen Vorbelastung für kontraproduktiv. Vor allem da die Katze wegen des chronischen Schnupfens eher viel Flüssigkeit aufnehmen sollte, um den Schleim viskos zu halten. Dies kann mit Trockenfutter nicht garantiert werden.
Oftmals wird auch L-Lysin zur Vorbeugung eines Herpesschubs empfohlen. Hier ist meine Meinung durchaus gespalten. Eine Wirkung konnte ich nicht beobachten.
Ein wenig Aufwand und Spezialpflege ist bei der Piratin Hilde also schon notwendig. Ihr fröhliches, immer munteres und lebensbejahendes Gemüt entschädigt dies jedoch unbedingt und ist mir selbst – das muss ich uneingeschränkt zugeben – mittlerweile ein Vorbild geworden.
Schnellcheck Herpes
- Hyperämie („Rötung“, gesteigerte Durchblutung)
- Blepharospasmus (Schließen der Augenlider, krampfhaft, wiederholt)
- Seröser Augenausfluss (relativ dünnflüssiger, tws. fibrinöser Ausfluss)
- Einseitigkeit
- Niesen
Ab in die tiermedizinische Praxis!
Quelle: https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0042-119374.pdf


Katzenschnupfen
Und es spritzt der Rotz …
Lies hier weiter: Wie haben wir Balus Schnupfnase in den Griff bekommen?
Lysin
Das Mittel gegen FHV-1?
Wer eine FHV-1-kranke Katze hat, wird früher oder später auf die Aminosäure Lysin stoßen und den Tipp, sie zu supplementieren. Wir haben es auch versucht. Und berichten, was passierte.


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